Bibelwort des Monats - September 2023

Mt 19,16-22

Jackpot

„In jener Zeit kam ein Mann zu Jesus und fragte: Meister, was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Er antwortete: Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist 'der Gute'. Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote! Darauf fragte er ihn: Welche? Jesus antwortete: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen; ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Der junge Mann erwiderte ihm: Alle diese Gebote habe ich befolgt. Was fehlt mir jetzt noch? Jesus antwortete ihm: Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach. Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.“ (Mt 19,16-22)

Die größte Menschheitsfrage, die Frage nach dem ewigen Leben, ist eine Frage, die Religionen begründet und die Wirtschaft beflügelt: von der Bionik bis hin zur Anti-Aging– und Transhumanismusindustrie. Sie alle arbeiten mit der Vorstellung des ewigen Lebens und mit der Angst vor dem Tod; besser formuliert: sie brauchen das Wissen um die Vorstellung der eigenen Endlichkeit, um ihre Vorstellungen von Ewigkeit verkaufen zu können. Letztlich ist das Geld selbst in der Lage, das zu tun, weil es als glänzendes Medium dafür eingesetzt werden kann.

Zur Zeit Jesu gibt es diese Technik nicht, aber die gleiche Frage. Jesus gibt einem Mann, der nach dem ewigen Leben fragt, die Antwort, sich ethisch gerecht zu verhalten, so wie es im Judentum bekannt ist, und die Gebote zu halten (Mt 19,16-22). Es handelt sich hier um eine Auswahl und Kombination der Zehn Gebote, die das Grundgerüst jüdischen Lebens prägen. Jeder Jude kannte diese Gebote. Jüdische Frömmigkeit zeichnete sich dadurch aus, dass diese Gebote gehalten wurden. Aber der Mann scheint nicht zufrieden zu sein – er halte die Gebote schon, wie er versichert. Es scheint für ihn also nicht alles zu sein. Er ist besonders engagiert und will es wirklich wissen: Wie bekomme ich alles vom Leben? Wie knacke ich den ultimativen Jackpot?

Zentral ist: Nicht Jesus ist es, der entscheidet, wer diesen Jackpot knacken wird. Das obliegt dem „einzigen Guten“, der Gott ist. Aber Jesus macht durch sein Leben und seine Lehre klar, wie es gehen kann: z. B. wenn man in der Lage ist zu vergeben oder Schulden zu erlassen. Aber offenbar auch, wenn man den Besitz verkauft, den Erlös spendet und in die Nachfolge Jesu tritt. Jesus selbst hat freiwillig in Armut gelebt; es wird erzählt, dass er kein Bett und kein Geld besaß. Er tat dies, um sich voll und ganz seiner Aufgabe zu widmen, denn auch er wusste, dass Geld den Blick für das Wesentliche versperren kann. Ein Jackpot ohne Geld – aber ganz ohne Geld kommt er nicht aus, weil gefordert ist, das Geld zu spenden. Der Einsatz ist entscheidend und die Frage danach, ob man in der Lage ist, diesen Einsatz wirklich zu tätigen.

Der Mann hier kann seinen Besitz nicht abgeben; das führt ihn in die Traurigkeit. Der Mann kann sich nicht von seinem Vermögen trennen und geht traurig davon. Es gibt keine Verurteilung des Besitzes, aber doch eine Bewertung der Unfähigkeit, sich davon zu trennen. Ein Mensch, der nicht loslassen kann, hier ist es Besitz, lebt in Traurigkeit. Die Alternative wird an vielen anderen Stellen der neutestamentlichen Berufungserzählungen und Glaubensgeschichten geschildert: große Freude. Der Jackpot, den Jesus hier verkündet, ist zum Greifen nahe und hätte Leben in der Gemeinschaft mit Jesus bedeutet: Leben mit Gott, das den großen Jackpot ausmacht – der Schatz, nach dem gesucht wurde; die schöne Perle, in die alles Hab und Gut investiert wird (Mt 13,44–46).

Diesen letzten Schritt zu gehen, das Liebste und Teuerste hinter sich zu lassen, die eigenen Prämissen des Lebens zu hinterfragen und aufzugeben, ist offenbar das Schwerste. Weil Jesus das weiß, ist es auch das Letzte, was Jesus hier von dem Mann verlangen wird.

Geld vermittelt das Gefühl der Sicherheit und der Kontrolle; es fördert Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit. Aber auch in der Wirtschaft gibt es große „Depressionen“, wenn das Geld zum Selbstzweck wird.

Das ewige Leben ist, biblisch gesehen, das Leben mit Gott; es gelingt nur, wenn in der Nachfolge Christi der Wert des Geldes im eigenen Leben keine so große Rolle spielt, dass eine bedenkenlose Abgabe nicht mehr möglich ist. Der barmherzige Samariter ist ein Beispiel dafür, dass Geld einen guten Einsatz finden kann (Lk 10,25–37): Neben der Ersten Hilfe ist es der uneingeschränkte Einsatz des Geldes für den Menschen, der nachhaltig das Leben des Notleidenden bessert und Rehabilitation ermöglicht. Das Geld in einem solchen Einsatz verliert die Kraft, große Depressionen herbeizuführen. Es bringt vielmehr Freude im und am Leben (Mt 13,44).

Aleksandra Brand