„17 Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen. 18 Betanien war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien entfernt. 19 Viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten. 20 Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus sitzen. 21 Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. 22 Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben. 23 Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. 24 Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag. 25 Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, 26 und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? 27 Marta sagte zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“
Das Johannesevangelium gehört eher zu den Spätschriften des Urchristentums; es wurde ca. 100 n. Chr. geschrieben. Das Johannesevangelium zeichnet Portraits verschiedener Menschen, die mit Jesus in Kontakt gekommen sind und Glaubenswege beginnen oder sie – engagierter denn je – weitergehen. Und wir begegnen vielen persönlichen Situationen, in denen die Menschen und auch Jesus sensibel nachgezeichnet werden, mit ihren Emotionen und ihrem Glauben. So auch die Passage rund um den Tod seines Freundes Lazarus. Dessen Schwestern, Maria und Marta, die ebenfalls eng mit Jesus verbunden sind, berichten Jesus zunächst, dass Lazarus schwer krank ist. Auf diese Hiobsbotschaft reagiert Jesus mit einer Glaubensaussage: Lazarus werde wieder gesund.
Als dann aber klar ist, dass Lazarus tot sei, wird Jesus in all seiner Menschlichkeit portraitiert. Etwas Wichtiges schimmert durch: Auch Jesu Glaube wird herausgefordert ob des Todes seines Freundes. Auch Jesus fällt es schwer zu akzeptieren, dass das Leben schwer zu ertragen ist, wenn der Tod eine Rolle spielt.
Aber Jesu Glaube sieht den Tod nicht als Ende, sondern als den Anfang eines Leben mit Gott. „Glaubst Du das?“ (Joh 11,26), fragt Jesus Marta, die Schwester des Lazarus. Ein bisschen klingt hier vielleicht mit, dass Jesus sich mit Maria und Marta in dieser Situation vergewissern will, dass sein Glaube wahr ist.
Das Leben nach dem Tod ist eine nur schwer vorstellbare Wirklichkeit, aber eine unglaubliche Hoffnung. Die Auferstehung des Lazarus ist eine Prolepse, eine Art foreshadowing auf das, was kommen wird, nämlich Jesu Auferstehung selbst. Wer Zombie-Apokalypsen kennt, sieht Ähnlichkeiten: Die Leinentücher, die Orientierung auf eine Stimme, die nur der Tote hört, und damit die Entrückung aus der realen Welt. Die Story ist aber nicht zum Fürchten, sondern zum Freuen.
Das ist es, was Johannes mitteilen will, und zwar mit Jesus in der Mitte. Dafür malt er Jesus in seiner Menschlichkeit sehr viel stärker aus. Freude und Trauer mit Jesus sind doppelt und geteilt – und so viel leichter zu ertragen.
Aleksandra Brand