Bibelwort des Monats – März 2025

Die Aktualität der Versuchungen Jesu - Lk 4,1-13

„1 Erfüllt vom Heiligen Geist, kehrte Jesus vom Jordan zurück. Er wurde vom Geist in der Wüste umhergeführt, 2 vierzig Tage lang, und er wurde vom Teufel versucht. In jenen Tagen aß er nichts; als sie aber vorüber waren, hungerte ihn. 3 Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden. 4 Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. 5 Da führte ihn der Teufel hinauf und zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche des Erdkreises. 6 Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will. 7 Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. 8 Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. 9 Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; 10 denn es steht geschrieben: Seinen Engeln befiehlt er deinetwegen, dich zu behüten; 11 und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, / damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. 12 Da antwortete ihm Jesus: Es ist gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. 13 Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel bis zur bestimmten Zeit von ihm ab.“

In jedem Jahr wird am ersten Fastensonntag, zu Beginn der Passionszeit, die Erzählung von der Versuchung Jesu durch den Teufel gelesen, so auch 2025. Mir scheint, in diesem Jahr ist die Fastenzeit wie auch die Konfrontation mit dem Thema Versuchungen von besonderer Dringlichkeit.

Was haben wir in den letzten Jahren, Wochen und Tagen nicht alles erleben müssen: Corona-Pandemie, klimabedingte Naturkatastrophen, Krieg in der Ukraine, Terror und Krieg im Nahen Osten, brutale Anschläge, Erstarkung von Autokratien und rechtsextremen Tendenzen, Regierungskrisen und –wechsel, eine Zeitenwende in den globalen Konstellationen. Viele sind erschüttert und verängstigt, nicht wenige fühlen sich angesichts der massiven Probleme angeschlagen oder ausgebrannt.

Die im März beginnende Fastenzeit lädt uns ein, dies alles vor Gott zu tragen, es IHM anzuvertrauen und ein Stück heilenden Abstand zu gewinnen. Ich verspüre bei mir geradezu eine Sehnsucht, „mit Jesus in die Wüste zu gehen“ und meine Sorgen durch die Besinnung auf ihn verwandeln zu lassen.

Jesus selbst wird in der Wüste mit dem Bösen konfrontiert. Manche stoßen sich vielleicht an der Person des Teufels, wie er Jesus gegenübertritt. Ist das nicht eine Figur des Aberglaubens aus einer überholten, primitiven Religiosität? Mich stört es nicht, dass die Versuchungserzählung das Böse als den Bösen personifiziert und so die Dramatik erhöht. Es geht um die Sache; sie ist aktueller denn je. Wie damals Jesus, so sind heute wir vom Bösen herausgefordert. Jesus erfährt drei Versuchungen; jede/r kann sie auf persönliche Weise für sich deuten. Ich mache folgenden Vorschlag.

1) „Befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden!“ (V. 3)
Was mich an technischen Entwicklungen aktuell am meisten fasziniert, sind die atemberaubenden Möglichkeiten der sogenannten Künstlichen Intelligenz. Mit Hilfe von KI sind mir in kürzester Zeit Dinge möglich, die mir vor einem Jahr noch undenkbar waren. Auf alle Fragen erhalte ich binnen Sekunden eine relativ kompetente Antwort. KI signalisiert: Die Möglichkeiten sind scheinbar unbegrenzt. Autos fahren bald ohne Fahrer. Elon Musk will zum Mars fliegen. Was kommt noch? Werden wir nicht auch Steine zu Brot machen können? Ich habe nichts gegen die Chancen des Fortschritts. Aber wo der Mensch sich anmaßend absolut setzt, hält das Wort Christi entgegen: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Oder an anderer Stelle, mit Blick auf die Endlichkeit des Menschenlebens: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern.“ (Lk 12,20)
Wider die Todsünde des Stolzes (superbia), die hinter der Vermessenheit des Menschen steckt, der sich absolut setzt, lädt die Fastenzeit ein: Sei demütig!

2) „All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben.“ (V. 6)
In der Geschichte war es wohl nie anders, aber gegenwärtig tritt es besonders hemmungslos zutage: Die Mächtigen dieser Welt gieren nach immer mehr Macht. Die drei großen Reiche der heutigen Erde liefern die bedrückendsten Beispiele: Ukraine (Putins Russland) – Bedrohung Taiwans, Einfluss in Afrika, Manipulation in Handel und Medien (China) – Kanada, Mexiko, Grönland, Panama, Gazastreifen, Europa (Trumps USA). Doch um welchen Preis? Verkauft man mit dem unersättlichen Streben nach Macht nicht seine Seele an den Teufel?
Jesus kennt sehr wohl diese Abgründe: „Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ (Mk 10,42f.)  Er erinnert daran, dass allein Gott, dem alles gehört, die Ehre gebührt (Lk 4,8).
Doch auch im Kleinen gibt es Gier und Habgier: immer mehr haben zu wollen. Ich sollte nicht mit dem Finger auf die anderen zeigen, sondern bei mir selbst anfangen.
Wider die Todsünde der Habgier (avaritia) lädt die Fastenzeit ein: Lass los!

3) „Stürz dich von hier hinab ... Sie werden dich auf ihren Händen tragen.“ (V. 9.11)
Eine subtil verbrämte Versuchung fügt der Teufel hinzu: eine als Vertrauen getarnte Sorg- und Verantwortungslosigkeit. Es ist kein Gottvertrauen, sondern Dummheit, sich in den Abgrund fallen zu lassen. Im deutschen Wahlkampf kam ein Thema praktisch nicht vor: die Klimakrise. Wurde diese vor der Pandemie zu Recht als das vordringliche Menschheitsproblem gesehen, so schoben es die anderen Ereignisse einfach beiseite. Ist das nicht absurd? Niemand auf der Erde wird vom Klimawandel verschont bleiben. Ein vielleicht etwas dramatischer Vergleich: Auf der Titanic 1912 lauschte man in der 1. Klasse noch einem Konzert, während in der 3. Klasse schon das Wasser eindrang. Für mich mahnt die dritte Versuchung, dass wir Leichtsinn und Bequemlichkeit ablegen und zu verantwortlichem Handeln erwachen müssen. „Du sollst deinen Gott nicht auf die Probe stellen.“
Wider die Todsünde der Trägheit (acedia) lädt die Fastenzeit ein: Übernimm Verantwortung!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Fastenzeit, in der Sie ein wenig Abstand von den Verlockungen des Bösen gewinnen und in der Begleitung Jesu Befreiung finden.

Gerhard Hotze