„In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Amen, das sage ich euch: Ein Reicher wird nur schwer in das Himmelreich kommen. Nochmals sage ich euch: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Als die Jünger das hörten, erschraken sie sehr und sagten: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: Für Menschen ist das unmöglich, für Gott aber ist alles möglich. Da antwortete Petrus: Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen? Jesus erwiderte ihnen: Amen, ich sage euch: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben gewinnen. Viele aber, die jetzt die Ersten sind, werden dann die Letzten sein, und die Letzten werden die Ersten sein.“
Loslassen, Dinge hinter sich lassen und nicht mehr nach hinten blicken – das klingt nach Neuanfang, Dynamik, Transformation: Werte, die in heutiger Zeit erstrebenswert sind.
Jeder kennt es: sich von einer schweren Last zu befreien, kann Kräfte freisetzen. Den Krisen der Welt muss mit Neuem begegnet werden, weil das Alte die Krise hervorgebracht hat. Der Slogan „Das haben wir immer schon so gemacht“ gilt nicht mehr. Fortschritt beendet Stillstand. Er verheißt Hoffnung in Zeiten von Hoffnungslosigkeit. Die Perspektive ist klar: Nach vorn!
Aber reicht es, nur nach vorn zu blicken? Wie sichtbar ist das, was mit „vorn“ gemeint ist? Und ist die Orientierung wirklich klar, wenn nur die Richtung angezeigt ist? Woran ist der Kompass ausgerichtet, der auf diesem Weg der Veränderung führen soll?
Einer der engsten Freunde Jesu, Petrus, steht im Namen der Begleiter Jesu auf und fragt nach dem Lohn für all die Arbeit, die sie als Mitstreiter für die Sache Jesu bekommen. Die Arbeit für Gott und mit Jesus muss sich doch besonders lohnen, so die Annahme. Die Kosten waren hoch für die Männer in der Nachfolge; sie haben viel Ablehnung erfahren müssen. Dabei ist die Sorge groß: Wird der Preis vielleicht zu hoch sein?
Jesus antwortet mit einem radikalen Wort des Verlassens. Deutlich sagt er: „Ihr investiert und dieses Investment ist richtig. Ihr setzt auf das richtige Pferd und der Ertrag wird immens sein.“ Das richtige Pferd ist der Glaube und die Nachfolge, ein Leben im Glauben, der nach außen wirkt und nach innen reflektiert.
Im Jesuswort vom Verlassen geht es um Bestätigung, aber auch um Neu-Orientierung. Sie scheint radikal und zuletzt geradezu absurd: Geld hilft nicht; und Vater, Mutter, Schwestern und Brüder zu verlassen, klingt weder familienfreundlich noch wirklich umsetzbar. Gerade von der Figur des Petrus wissen wir aus anderen neutestamentlichen Texten, dass er selbst verheiratet war und ein Haus hatte, in dem Jesus sich gern und viel aufhielt.
Es geht hier aber nicht um dauerhafte Lebensweisen außerhalb familiärer Bande, auch nicht darum, Geld per se zu verteufeln, sondern um akute Situationen, in denen es Orientierung im Leben braucht. Sie betreffen den eigenen Glauben, der manchmal verstellt sein kann, z. B. durch die vielen Anforderungen, die an einen gestellt werden. Auch Geld kann den Blick verstellen für die Schönheit der Natur und das Geschenk des Lebens, weil es vermeintlich alles käuflich macht. Hier werden Klärungen angestoßen, die Freiheiten begründen sollen:
Wer bin ich?
Was will ich?
Wohin will ich?
Was glaube ich?
Beziehungen, in denen Menschen stehen zu reflektieren, kann hilfreich sein, um Altes hinter sich zu lassen und Neues zu fokussieren. Oft spielen Erwartungen anderer oder ökonomische Aspekte in persönliche Entscheidungen hinein, die die Orientierung verstellen; sie beeinflussen auch die Freiheit im Glauben.
Die Glaubensvision, die Jesus gibt, prägt das gesamte Leben: das Himmelreich. Darauf soll der Wert des eigenen Lebens neu ausgerichtet werden. Es ist also zunächst der Blick nach oben, der Orientierung bietet: Selbstreflexion mit dem Blick auf den Schöpfer und ein Leben nach dem Tod.
Wer Geld nicht so wichtig nimmt, kann sich besser davon trennen, wenn es den Blick für das Leben verstellt, und es reflektiert nutzen und einsetzen. Wer Beziehungsgeflechte erkennt, kann die eigenen Perspektiven besser ein- und wertschätzen, wenn neue Orientierung nötig ist.
Was das konkrete Leben angeht: Ausgerechnet Petrus wird es übrigens sein, der sein Bekenntnis zu Jesus in einer für ihn brenzligen Situation nicht wiederholen wird.
Aleksandra Brand