Bibelwort des Monats - Juli 2023

Markus 10,13-16

„13 Da brachte man Kinder zu ihm, damit er sie berühre. Die Jünger aber wiesen die Leute zurecht. 14 Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes. 15 Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. 16 Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.“

Der Sommer ist Ferien- und Familienzeit. Eltern wollen sich und ihren Kindern etwas Gutes tun. Sie suchen Erholung und Kraft für den Alltag.

Das Evangelium Mk 10,13-16 führt uns in eine anrührende Szene aus dem Leben Jesu. Es begegnen uns Eltern, die ihre Kinder in die erste Reihe bringen wollen, ihnen Gutes tun, das Beste für ihre Zukunft erreichen möchten. Das erhoffen sie sich aus der Begegnung mit Jesus. Sie zeigen uns ein starkes Zutrauen und letztlich einen tiefen Glauben an Jesu Güte und Vollmacht.

Die Jünger als Freunde Jesu sehen das ganz anders. Sie möchten ihren Meister vor unwichtigen bzw. lästigen Bittstellern schützen. Kinder galten vor 2000 Jahren im Vergleich zu den Erwachsenen als unbedeutende Personen. Sie waren in der gesellschaftlichen Hierarchie eher unten angesiedelt.

Diese Haltung der Jünger erregt bei Jesus Unwillen. Er macht den Kindern den Weg frei: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran!“ (V. 14b)  Damit weist er seine Jünger indirekt zurecht. Und er überbietet dies noch. Er begegnet den scheinbar Geringen mit Wertschätzung. Im Verhältnis von Erwachsenen und Kindern gelten die Erwachsenen normalerweise als Vorbilder für die Kinder: Die Kleinen lernen von den Großen. Bei Jesus ist es umgekehrt. Hier werden die Kinder zum Vorbild für die Erwachsenen: „Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes.“ (V. 14c)

Jesus praktiziert das. Er nimmt die Kinder in die Arme. Wo ist Reich Gottes mehr als in Jesu Armen? In den Gleichnissen Jesu geht es meist um einen einzigen Vergleichspunkt, auf den es ankommt. So ist es auch hier, obwohl die Szene kein Gleichnis ist, sondern eine Begebenheit aus dem Leben Jesu. Der springende Punkt ist die Annahme des Himmelreiches. Wer kennt das nicht, dass Kinder anderen und anderem gegenüber oft aufgeschlossener sind als Erwachsene? Unvoreingenommenheit und Vorurteilsfreiheit sind der Schlüssel zum Himmelreich.

Uns begegnet hier einmal mehr die zeitlose Wahrheit der Worte Christi. Um des Himmelreiches willen sollten Christen in jedem Menschen ein Kind Gottes sehen und niemanden ausschließen. Auch die – aus welchen Gründen auch immer – aus ihren Ländern Geflüchteten auf dem Mittelmeer gehören zur Menschheitsfamilie und brauchen unsere schützenden Arme. Der biblische Jesus war nie ein Mann nur für sentimentale, erbauliche Stunden, sozusagen eine am Rand des Lebens eingerichtete spirituelle Entspannungsecke.

Jesus verhält sich zu den Kindern, die nicht seine leiblichen sind, als wären es seine. „Und er nahm die Kinder in seine Arme.“ (V. 16a)  Hier überbietet er sogar das Ansinnen der Eltern. Er legt ihnen nicht nur die Hände auf, sondern segnet sie auch noch (vgl. V. 16b).

Dass Jesus Kinder in die Arme nimmt, lässt im Kontext des Evangeliums und in der Persönlichkeit Jesu keinerlei Zweideutigkeiten zu. Was hätte er wohl zu den Missbrauchsfällen in der Kirche gesagt? Wenige Verse vor unserer Perikope steht sein Wort: „Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.“ (Mk 9,42)

Jesus sieht Kinder als würdige, vollwertige Menschen, die zu respektieren sind, nicht als Objekte der Wunscherfüllung oder gar Bedürfnisbefriedigung von Erwachsenen.

Wir begegnen im Neuen Testament dem Mensch gewordenen Wort Gottes in Jesus Christus. Dieses Wort ist nicht Vergangenheit, sondern ruft uns immer wieder über Grenzen von Ängsten oder Egoismen hinweg zur Gemeinschaft aller Menschen.

Ich wünsche Ihnen für die kommende Ferienzeit mit oder ohne Familie einen liebevollen Blick auf die Mitmenschen als Kinder Gottes. Vielleicht können Sie sich das eine oder andere Mal dabei auch selbst von Jesus in die Arme genommen fühlen.

Barbara Heitfeld