3 Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen zu Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goss das Öl über sein Haupt. 4 Einige aber wurden unwillig und sagten zueinander: Wozu diese Verschwendung? 5 Man hätte das Öl um mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können. Und sie fuhren die Frau heftig an. 6 Jesus aber sagte: Hört auf! Warum lasst ihr sie nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 7 Denn die Armen habt ihr immer bei euch und ihr könnt ihnen Gutes tun, sooft ihr wollt; mich aber habt ihr nicht immer. 8 Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat im Voraus meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. 9 Amen, ich sage euch: Auf der ganzen Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis. (Mk 14,3-9)
Einen Bericht über eine Salbung Jesu finden wir in allen vier Evangelien (Mt 26,6-13, Mk 14,3-9, Lk 7,36-50 und Joh 12,1-8). Sie unterscheiden sich etwas voneinander, aber sie stimmen in einem grundlegenden Aspekt überein: Alle Erzählungen erwähnen eine Frau, die Jesus mit (kostbarem) Öl salbt. Diese Szenerie hat Phantasien vieler beflügelt, weil Nähe und Zuneigung, Berührung und Intimität eine Rolle spielen. Ein wichtiger Irritationspunkt der Handlung aber wird in der Erzählung selbst genannt: Die Verschwendung. Das Moment der Verschwendung steht in gewissem Kontrast zum sonstigen Ethos jesuanischer Lebensführung. An anderen Stellen lesen wir davon, dass Jesus selbst kein Bett hatte und seinen Jüngern aufgegeben hat, kein Geld auf ihre Reisen mitzunehmen (vgl. z.B. Mk 6,8 und Lk 9,3). Dass er aufgibt, allen Besitz zu veräußern und das Geld zu spenden (vgl. Mk 10,21; Mt 19,21; Lk 18,22). Aber andererseits passt es dazu, dass wir Jesus oft als Gast begegnen, der gern in Gemeinschaft war, wofür er auch als „Säufer und Fresser“ verspottet wurde (vgl. Mt 11,19 und Lk 7,34), und dazu, dass er sich auf die Seite der Armen gestellt hat (Mt 5,3; Mt 11,5; Lk 4,18).
Das erwähnte Nardenöl wird aus einer Pflanze gewonnen, die auf den Berghängen des Himalaja wächst. Das heißt: nicht nur für heutige Verhältnisse ist die Pflanze schon in der Beschaffung enorm aufwändig. Da Öl hat ein Vermögen gekostet. Eine Besonderheit, die in der Erzählung bei Markus gegenüber den Erzählungen der anderen Evangelisten betont wird, ist die Verschwendung, die sogar mit einem genauen (und für antike Verhältnisse exorbitant hohen) Geldbetrag beschrieben wird. Die verwendeten Adjektive „echt“ und „sehr kostbar“ verstärken dies. Ist Jesus ein „eitler Pfau“ und von daher ein Verschwender, dem die Armen manchmal doch egal sind? Jemand, der dem Luxus frönt und diese Verschwendung in seiner Gegenwart toleriert, ja auch noch als „gutes Werk“ bezeichnet? Jesus ein Mann, der die Verschwendung, die letztlich Ungerechtigkeit ist, gutheißt und sogar will, das alle Welt davon erfährt?
Jesus war ein Mensch. Ist nicht die wohltuende Wirkung des Öls, die Massage, die Erholung und Entspannung, auch Jesus zu vergönnen? Aber hätte es dann nicht gereicht, Jesus ein wenig Öl zu geben, anstatt alles zu verbrauchen?
Die Erzählung macht deutlich: Nein, es hätte nicht gereicht! Denn es geht gerade um die Radikalität in der Handlung der hier beschriebenen Frau, die pure Verschwendung ist, die nicht einen Tropfen übriglässt und sogar das kostbare Gefäß zerstört.
Es handelt sich um eine Form der Prophetie, die zeichenhaft ist und provozierend auf das Göttliche hinausweist: Jesus hat eine unvergleichliche, göttliche Würde.
Geld ist nicht alles. Es gibt Geschenke, die nicht mit Geldwert zu beschreiben sind, aber alles bedeuten, weil sie alles von diesem Menschen offenbaren. Die Beschreibung durch Geldwerte korrumpiert. Deshalb darf, wo Fülle und Überfluss herrschen, auch verschwendet werden. Die Hoffnung der Armen ist dadurch nicht weniger wichtig, denn auch Arme sollen Luxus genießen, sofern er ihnen geschenkt wird.
Für das moderne Verständnis eines Schenkungsaktes ist der Beziehungscharakter wesentlich. Jesus nimmt dieses „Geschenk“ an und nimmt damit den innovativen Moment der Handlung in sein Leben auf. Er hätte sich nicht selber salben können; dem widerspricht der ureigene Sinn einer Salbung, die gespendet, eben geschenkt wird.
Das Bibelwort von der Salbung erhebt in der Erzählung selbst einen wirkmächtigen Anspruch, weil man auf der ganzen Welt, erzählen soll, was die Frau getan hat. Die Stelle erhält eine spezielle Bedeutung im Monat Dezember, dem Monat, in dem Weihnachten gefeiert wird. Hier spielen Geschenke eine besondere Rolle. Schwierig wird es dann, wenn Taten mit Geldwerten aufgewogen werden, ohne die Beziehungsebene anzusprechen. Was Jesus im Moment der Begegnung mit der Frau erlebt, ist nicht gegen Ziffern zu rechnen oder mit Geldwert zu beschreiben.
Aleksandra Brand