Nehmt und esst!
In der Jesustradition hat das gemeinsame Essen einen großen Stellenwert, was für die antike Kultur nicht unüblich ist: Die Jesus-Geschichten erzählen von Mählern mit Fremden und mit Freunden (Lk 5,29). Seine Jünger sollen kein Brot mit auf die Missionsreise nehmen, weil sie auf Gastfreundschaft hoffen dürfen (Mk 6,6–8). Brot ist ein wichtiges Motiv in vielen Gleichnissen, die von der Herrschaft des Himmels erzählen (vgl. Mt 16,5–12). Und bis heute spielt das Essen in der liturgischen Praxis eine zentrale Rolle, nämlich in der Eucharistie. An Fronleichnam feiern die Gläubigen ein Fest, das aufs engste mit dem Motiv des Brotes verknüpft ist. Es geht auf das letzte Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat, zurück und ist sehr eng mit der Person Jesu und dem Verständnis seines Lebens verknüpft. Es geht auf ein Jesus-Wort zurück, das aber sehr voraussetzungsreich ist: „Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und esst; das ist mein Leib“ (Mt 26,26).
Diese Worte sind im Kontext der letzten Tage Jesu mit seinen Jüngern verortet, am Ende seines irdischen Wirkens. Es ist der letzte Abend mit seinen Jüngern. Es ist der Abend des Peschah-Festes, eines sehr wichtigen Festes im Judentum, an dem an die Befreiung der Juden aus der Sklaverei in Ägypten erinnert wird. Jesus hat als Jude dieses Fest selbst gefeiert.
Dann sagt er etwas sehr Entscheidendes: Nehmt und esst; das ist mein Leib. Was heißt das?
Während einer katholischen Messe bekommen die Menschen eine „Hostie“. Das ist ein rundes Stück weißes, essbares „Brot“. Die Menschen glauben, dass im Moment der Wandlung, also während der liturgischen Praxis, aus Brot und Wein Fleisch und Blut Christi werden. Man bekommt dann dieses „Fleisch“ als Zeichen in die Hand. Im Zeichen des Brotes bekommt man also Jesus Christus selbst. Das Besondere ist, das es eine reale Bedeutung hat, denn es ist die Zeichensprache Jesu selbst. Wie in Mt 26 geschildert, Jesus hat Brot und Wein genommen und seinen Jüngern gegeben. Es sind elementare Lebensmittel und Zeichen der Lebensfreude. Brot und Wein sind Zeichen für die Verbindung mit Gott, über Jesus. Weil Brot und Wein für Jesus eine so große Bedeutung gehabt haben, haben sie eine diese Bedeutung auch für die Menschen, die an Gott und an Jesus glauben – auch heute noch. Jesus ist die zentrale Figur, weil in diesen Worten und Gesten sein Leben zusammenkommt: Sein gesamtes Leben bewegt sich in der großen Hoffnungsgeschichte, dass Gott die Menschen sucht und die Menschen für diese Suche sensibiliert werden sollen. So wie Jesus gehandelt hat, so sollen auch die Menschen in seiner Nachfolge handeln.
Jesu Dienst für die Menschen zeigt, dass das Leben eine besondere Qualität bekommt, wenn es mit Gott und für Gott geschieht. Jesus kann dabei helfen, weil er es vorgemacht hat. Allerdings ist sein besonderer Dienst einmalig; die Menschen in seiner Nachfolge dürfen auf seine Zeichenhandlungen bauen und vertrauen. Es gibt nur einen Jesus. Das Brot ist die Vergegenwärtigung Jesu Christi und Zeichen dafür, dass er die Menschen auf ihrem Weg zu Gott begleitet.
Gottesdienst lebt von Zeichensprache und von Ritualen. Sie verändern sich – wie die Menschen selbst. Aber das Wichtige bleibt: Das Brot ist Jesus Christus. Es ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen, wie das Speisungswunder erzählt: Zwar haben die Jünger genug Geld dabei, aber das, was die Menschen brauchen, kann mit dem vorhandenen Geld, sei es noch so viel, nicht bezahlt werden (Mk 6,37). Jesu Brot bekommt seinen besonderen Geschmack durch die Geschichte Gottes mit der Welt. Und die Menschen dürfen darauf vertrauen, dass es gut ist (vgl. Mt 6,11).
Das Fest Fronleichnam feiert dieses Brot im Kirchenjahr in besonderer Weise. Es ist verknüpft mit Jesus selbst, mit dem Zeichen, das er den Menschen in seiner Nachfolge angeboten hat.
Aleksandra Brand