Bibelwort des Monats - April 2024

Joh 20,11-18

„11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. 12 Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. 13 Diese sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben. 14 Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. 15 Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen. 16 Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister. 17 Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. 18 Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.“

In diesem Jahr (2024) sind wir den ganzen April und weit darüber hinaus eingeladen, Ostern zu feiern. Bis Pfingsten, nicht weniger als 50 Tage, begehen wir im Kirchenjahr das Freudenfest der Auferstehung Christi. Es ist der Kern unseres Glaubens und Grund unserer Hoffnung: Der Mensch Gewordene (Weihnachtsfest), der den Weg eines Menschen bis zur letzten Konsequenz, dem Tod, ging (Karfreitag), wurde von Gott, aus dem er gekommen war, ins Leben zurückgeholt. Durch seinen Tod und seine Auferstehung, so glauben wir, wurde die ganze Welt von Sünde und Tod befreit. Ostern heißt: Uns ist das Leben Gottes, Leben in Fülle, erschlossen. Und Jesus, der in den Himmel heimgekehrt ist, hat uns mit seinem Heiligen Geist ausgestattet, damit wir schon auf Erden dieses Leben genießen können.

Eine der schönsten Geschichten, die dieses Geheimnis narrativ vermittelt, ist für mich die der Maria Magdalena im Johannesevangelium. Die Botschaft von Ostern ist ja eigentlich un-glaublich: dermaßen unglaublich, dass abstrakt-theologische Sprache sie kaum in ihrer ganzen Wucht wiedergeben kann. Sie bedarf der Vermittlung. Doch wo gelänge Vermittlung von Hoffnung und Leben intensiver als bei einer tiefen, glücklichen Begegnung?
Maria von Magdala sucht voll Trauer den Geliebten, der ihr brutal durch das Kreuz entrissen worden ist. Maria hat Jesus sehr geliebt und vermisst ihn unsäglich. Ich muss an die aktuellen Kriege denken: Wie viele Menschen mag es derzeit geben, die entsetzlich unter dem Verlust eines geliebten Angehörigen oder Freundes leiden!
Die unendliche Trauer und Sehnsucht Marias gegenüber Jesus ist der dramatische Hintergrund für die erzählte Begegnung. Zunächst scheint ihr sogar der tote Freund geraubt: Selbst der Leichnam ist weg. Ob sie in solcher Ausnahmesituation die zwei weißgewandeten Gestalten, die sie nach dem Grund ihrer Tränen fragen, als Engel identifiziert?
Im Umdrehen – oft bedarf es einer Kehrtwende, um neu zu sehen – erblickt sie den Meister. Aber sie erkennt ihn nicht. Hält ihn für den Gärtner. Ich kenne solche Situationen: unverhoffte Wiederbegegnungen großen Kalibers, die ich inmitten der Banalität des Alltags zuerst gar nicht realisiere.

Der entscheidende Moment: Jesus ruft sie beim Namen. „Maria!“ Die von Patrick Roth so genannte „Magdalenensekunde“. Noch einmal eine Hinwendung zu ihm – szenisch unlogisch, substanziell  nicht. Jetzt wendet sie sich wirklich, auch innerlich hin: zum nunmehr Erkannten, den sie als  „Rabbuni“ bekennt. Welch unfassbares Glück, welch unaussprechliche Freude in der Expression dieses Bekenntnisses!
Wer ließe sich nicht von der Tiefe und Intensität dieser intimen Begegnung anrühren?
Ohne die Begegnung auf eine erotische Ebene heben zu wollen – geht eine solche Szene zärtlichen Wiedersehens zwischen einem Mann und einer Frau nicht wesentlich mehr unter die Haut als die theologische Formel: „Jesus ist von den Toten auferstanden“?
Mir jedenfalls geht es so. Ich erfahre Auferstehung, Ostern überall dort, wo mir im Alltag beglückende Erfahrungen und Begegnungen geschenkt werden. Oft ist das mit Überraschungen verbunden. Überraschung scheint eine übersehene österliche, ja theologische Kategorie.

Anders als im Himmel lassen sich solche Glücksmomente (moments of „now“) auf Erden leider nicht konservieren. Sie sind ihrer Natur nach meistens kurz. Der auferstandene Jesus gebietet Maria, ihn nicht festzuhalten. Loslassen – eine immer neu einzuübende Kunst für jeden Menschen.
In Joh 20 gibt es aber eine geniale Transformation, in die die Magdalenerin ihren Now-Moment überführen soll: Die vom Lebendigen Berührte soll, ja muss zur Verkündigerin werden. So geht sie los, wird zur Apostelin der Apostel und verkündigt das Leben: den Brüdern, Schwestern und durch das Wort des Evangeliums der ganzen Welt zu allen Zeiten.
Lassen auch wir uns überraschen, Gottes Leben in unserem Leben entdecken und es anderen weiterschenken. In diesem Sinne: Frohe Ostern!

Gerhard Hotze